1998
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Leitartikel
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In anderer
Sache Zum Bundesjugendorchester |
Die Berichte und Kommentare in der neuen musikzeitung über
die Reise des Bundesjugendorchesters in die Vereinigten Staaten von Amerika haben bei
einigen der Betroffenen Verlegenheit bis Empörung ausgelöst. Die Aufregung dürfte sich
auch nicht nach der Lektüre über den Après-Auftritt des Bundesjugendorchesters in
Berlin legen (siehe Seite 44 dieser Ausgabe). Das
Mißverständnis entsteht nicht aus Einzelheiten, sondern aus grundsätzlichen
Auffassungen. Wozu dient ein Bundesjugendorchester? Früher wurden Semesteraufführungen an Schauspielschulen nur einmal für eine begrenzte Zuschauerzahl gezeigt: die jungen Akteure sollten durch Folgevorstellungen nicht zu einer fatalen Routine verführt werden. Das müßte eigentlich auch für Jugendorchester gültig sein. Aus finanziellen Gründen verläuft es heute jedoch genau umgekehrt. Das in einer Arbeitsphase erarbeitete Programm muß anschließend auf einer Tournee möglichst oft wiederholt werden, damit Geld in die schmale Kasse kommt. Dafür soll dann auch noch ein Dankeschön gesungen werden. Das Bundesjugendorchester ist kein festes Ensemble, sondern eine fluktuierende Institution: Junge Instrumentalisten erhalten im steten Wechsel Gelegenheit, sich in das "Im-Orchester-Spielen" einzuüben. Alles, was darüber hinausgeht, könnte man als "Ausbeutung" bezeichnen. Für repräsentative Auftritte im Namen des Staates stehen die hochsubventionierten Berliner oder Münchner Philharmoniker zur Verfügung samt ihrer Dirigierprominenz. Das Bundesjugendorchester aber benötigt keine solche Prominenz und auch keinen Justus Frantz, sondern moderne Dirigenten, die ohne eigene Eitelkeiten den jungen Musikern vermitteln, was es heißt: Orchester spielen, auf Balancen zu achten, aufeinander zu hören, Akkorde zu durchhören und stabilisieren, im Unisono zu agieren, rhythmisch korrekt zu spielen. Die pathetische Dirigiergeste hilft dabei wenig, das gefordete Prinzip heißt "Boulez", oder auch Zagrosek, Zender, Cambreling, Metzmacher, um nur einige, allerdings wichtige Namen zu nennen. Gerade unter den jungen Dirigenten gibt es etliche, die einem Jugendorchester als Vorbild gut anstehen würden, zum Beispiel den Darmstädter Musikdirektor Marc Albrecht, der soeben Matthias Pintschers erste Oper "Thomas Chatterton" an der Dresdner Semperoper souverän realisierte. Noch ein Wort zum Thema Sponsoren: der klassische Mäzen zeichnete sich durch gesittetes Zurücktreten hinter das Objekt seiner Vorliebe aus. Etwas von dieser Kultur, die aus Respekt vor dem Kunstwerk, vor dem schöpferischen Prinzip erwuchs, wünschte man sich auch für Sponsoren. Es muß nicht alles amerikanisiert werden. Gerhard Rohde |
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