1999
48. Jahrgang

Ausgabe 09
September (Inhalt)

© nmz und
autoren 1999

Hits & Clips

Seite 36

Autor:
Stefan Raulf

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Die Chemical Brothers Ed Simons und Tom Rowlands aus Manchester haben erneut alle verfügbaren Spuren im Tonstudio mit Sounds, Beats und Vokal-Fetzen bestückt, ausgewählt zu keinem anderen Zweck als im Club dem Ideal der Massenekstase näherzukommen. Flirrende ostinate Elektrogirlanden verändern permanent ihre Klangfarbe, diverse Perkussionselemente schichten sich zu einem auf vier Minuten verdichteten „Wumms", kurze Signal-Rufe markieren die Breaks. Eine Komposition will man das nicht mehr nennen, das geschickte An- und Ausschalten der diversen Spuren ist reine Arrangierarbeit, zur Optimierung der Musik als perfekte Mischform zwischen Rock und Disco, „Big Beat" genannt. Die der Kritik übers Maul fahrende Coolness beweisen die Briten einmal mehr mit dem Video: Die perfekt geschnittenen Skizzen von dem Mädchen, das so sehr vom Knochengerüst fasziniert ist, daß es schließlich alle Gestalten im Club als wild herumklappernde Skelette wahrnimmt, ist schlichtweg betörend.

Daß das Mambofieber dieses Sommers bald abgeklungen ist, darauf spekulieren die italienischen Produzenten Larry Pignagnoli und Marco Soncini. Sie setzten einen völlig abgespeckten, bewußt so simpel wie möglich gehaltenen Track im Hoppelbeat dagegen und passten ihn den vokalen Möglichkeiten von Ann Lee an, einer gebürtigen Engländerin, die sie in einer Italo-Disco entdeckten. Das zurückhaltende Stimmchen, die begleitende Vocoderdopplung, der dünne Orgelsound – diese Reduktion ist Programm: Die ini-tiierte Harmlosigkeit setzt in den Ferienclubs der Spätsaison einen willkommenen Kontrapunkt zur schwülen Latinwelle. Im Video präsentiert sich Ann Lee als possierlich buntes Wesen, das zum kleinen melodischen Motiv perfekt mit dem Kopf wackeln kann.

Stefan Raulf

Stefan Raulf