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nmz-archiv
nmz 2001/05 | Seite 56
50. Jahrgang | Mai
Dossier: Musikschulen
in Bedrängnis
Sich messen und vergleichen lassen
Zum Beispiel Essen: die Qualitätssicherungsmaßnahmen
QsM und EDuR in der Praxis
Warum eigentlich EDuR? Interessanterweise habe noch keine Musikschule
nachgefragt, so Ulrich Wüster vom Verband deutscher Musikschulen
(VdM). Folgendes habe sich die beauftragte Agentur bei der Namensgebung
für den interkommunalen Leistungsvergleich überlegt: Den
vier Kreuzen der Tonart E-Dur entsprechen die vierGrundkritereien
des Vergleichs: Erfüllung des Bildungsauftrags, Kunden- beziehungsweise
Mitarbeiterzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit.
Ein wenig scheint das Anliegen dahinter zu stecken, dieser neben
dem Qualitätssystem Musikschule (QsM) zweiten Qualitätssicherungsmaßnahme
des VdM mit einem im wahrsten Sinne des Wortes klingenden Namen
den Hauch von Roland Berger zu nehmen, der sich im Kontext von Benchmarking
oder Wirkungskennzahlen einzuschleichen droht. Dabei
seien die Maßnahmen QsM und EDuR aber eben etwas grundsätzlich
anderes, betont Christian de Witt, Leiter der Folkwang Musikschule
in Essen, der ersten Einrichtung, die in beiden Feldern Qualitätssicherung
betreibt. Entscheidend ist die Freiwilligkeit, die Fähigkeit
zu Selbstkritik und das eigenständige Handeln.
Und doch ist der Hintergrund dieser Maßnahmen natürlich
nicht wegzudiskutieren. Den allerorten drohenden Budgetierungen,
dem Rationalisierungsdruck seitens der Politik will man gezielt
zuvorkommen, will mit vorzeigbaren Daten den Status Quo erhalten.
Es sei aber nicht so, dass sich nur finanziell potente Musikschulen
die Implementierung leisten könnten, stellt de Witt klar. Die
elf- bis siebzehntausend Mark für QsM in zwei Jahren seien
eine einmalige Investition, die sich auf lange Sicht auszahle. Darin
enthalten ist das Coaching durch die frey Akademie, die das Konzept
zusammen mit dem VdM erarbeitet hat, sowie das notwendige Material
(siehe auch den Beitrag
auf Seite 6 der März-Ausgabe der neuen musikzeitung).
Nicht unerheblich ist auch der organisatorische und damit zeitliche
Aufwand, der im Rahmen von QsM zu leisten ist und natürlich
auch von der Größe der Musikschule abhängt. Eine
Einrichtung wie die Folkwang Musikschule mit über 200 Mitarbeitern
musste allein schon die Einführung für das 10-köpfige
Leitungsteam in zwei Schritten durchführen. Zusammen mit der
Einbeziehung des Kollegiums seien da 30 Arbeitssitzungen zusammengekommen.
Auch dies sei aber eine einmalige Investition, weil sich die Arbeit
mit QsM mehr und mehr in den normalen organisatorischen Ablauf einfüge,
so de Witt.
Auf die Frage nach konkret im Zusammenhang mit QsM stehenden Aktivitäten
kann de Witt einen beeindru-ckenden Ziele- und Maßnahmenkatalog
präsentieren, der die Hauptbereiche Kunde/Bürger, Finanzen,
Personal und Geschäftsbetrieb sowie Innovationen und Entwicklung
zunächst in operative Ziele untergliedert, denen dann einzelne
Maßnahmen zugeordnet sind. So taucht etwa unter der Zielvorgabe
Alternative Unterrichtsformen entwickeln und einführen
die Maßnahme auf, eine Bedarfsanalyse aufgrund von Kundenbefragungen
zu erstellen. Dies sei eine der wichtigen Lehren aus der Arbeit
mit QsM, erläutert de Witt: Vieles, was wir aus Gesprächen
und subjektiven Eindrü-cken zu wissen glauben, müssen
wir mit Fakten erhärten. Das Thema Außenwirkung
sei insgesamt ein Bereich, der in Zukunft viel stärker zu berücksichtigen
sei.
Natürlich haben in Musikschulen solche Überlegungen
und Aktivitäten zur Selbstüberprüfung schon immer
stattgefunden. Neu an QsM sind das aus der betriebswirtschaftlichen
Praxis in den Musikschulbereich übertragene Modell, an dem
sich die Arbeit orientiert, die damit verbundene Messbarkeit von
Ergebnissen und die feste Verankerung im institutionellen Ablauf.
Wichtig ist, dass nicht nur Beschlüsse gefasst werden,
sondern dass unmissverständliche Verantwortlichkeiten dafür
vergeben werden, die dann auch überprüfbar sind,
so de Witt.
Können die aus der Arbeit mit QsM abgeleiteten Kriterien
auch für die zweite, auf interkommunalen Leis-tungsvergleich
abzielende Maßnahme EDuR als Basis dienen?
Christian de Witt ist skeptisch, hängen die Ergebnisse von
QsM doch sehr stark vom Maß an Selbstkritik ab, das eine Musikschule
anlegt. EDuR zielt eher da-rauf ab, zwischen Einrichtungen, die
möglicherweise ein sehr unterschiedliches Eigenprofil aufweisen,
Vergleichsgrundlagen herzustellen, die aussagekräftiges Zahlenmaterial
zum Ergebnis haben. So finden regelmäßige Treffen mit
den an EDuR teilnehmenden Musikschulen statt (etwa Köln und
Düsseldorf), an denen auch die für die methodische Ausarbeitung
mitverantwortliche Bertelsmann-Stiftung teilnimmt, die dann das
Zahlenwerk auswertet. Die Einteilung in große Städte,
Kreismusikschulen und kleinere Städte soll dabei die Vergleichbarkeit
gewährleisten.
Hintergrund dieses Vergleichs ist das sogenannte Neue Steuerungsmodell,
der seit Beginn der 90er-Jahre wirksame Reformansatz für die
kommunale Verwaltung, dem sich auch die Musikschulen nicht entziehen
können. Dabei geht es aber nicht um Konkurrenz, sondern darum,
gerade auch im Vergleich mit anderen eigene Stärken und Schwächen
besser zu erkennen und von anderen lernen zu können.
Ob die in den EDuR-Kriterien genannte Erfüllung des Bildungsauftrages
mess- und damit vergleichbar ist? Das, so Christian de Witt, wäre
nur der Fall, wenn dieser Auftrag seitens der Politik klar definiert
und vorgegeben wäre. Doch zwischen den Extrempolen, eine möglichst
große Zahl an Menschen zu erreichen, und dem Ziel, möglichst
viele in ein Musikstudium zu bringen, gäbe es eben eine große
Bandbreite, in der jede Musikschule ihr eigenes Profil finden müsse.
Eine Nivellierung des Angebots ist also weder von QsM noch von
EDuR, an denen derzeit 16 beziehungsweise 20 Schulen teilnehmen,
zu erwarten. Wohl aber ein deutliches Signal an die Politik, dass
die Musikschulen bereit und in der Lage sind, die inhaltlichen wie
die wirtschaftlichen Herausforderungen der Zeit anzunehmen und dabei
auch die vom Markt her kommenden Instrumentarien einzusetzen, ohne
selbst vom Markt diktiert zu werden. Ein ebenso deutliches Signal
darf dann aber auch von der Politik verlangt werden, ein Signal,
das klar macht, dass das Engagement der Musikschulen auch belohnt
wird und diese bei der Erfüllung ihres Auftrages nicht allein
gelassen werden.