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nmz-archiv
nmz 2001/07-08 | Seite 4
50. Jahrgang | Juli/August
Cluster
Sandkastenspiele
Das ist zurzeit en vogue: Komponieren mit dem Internet. Es entstehen
Internetsinfonien, vernetzte Krabbelstuben, Mailing-Prozeduren auf
der Suche nach dem richtigen Ton. Auch das Münchner A.Devantgarde-Festival
wagte wieder so einen Schritt. Etwa 20 weltweit vernetzte Komponis-ten
saßen vor ihren Bildschirmen und hörten aus meist wohl
schlechten Lautsprechern, was sie von ihren eingereichten Vorschlägen
gerade zur klanglichen Schichtung beitrugen. Sorry, we had
a crash wurde von München aus in die weite Welt gemailt,
ein anderer, dem Medium noch wenig Vertrauen Schenkender, bat darum,
dass man ihm alle Schritte ganz einfach, gewissermaßen idiotensicher
erklären sollte. Schnell rückte das Erklingende gegenüber
solchen Kommunikationsverwirrungen in hintere Bereiche.
Nicht was erklang, war spannend, sondern warum und wie etwas in
Gang kam. Freilich hätte es des Internets gar nicht bedurft,
denn alle Materialien lagen abrufbereit fein säuberlich im
Münchner Computer gespeichert. Und ob die Komponisten nun entschieden,
dass etwas Musik von ihnen gespielt werden sollte oder ein von ihnen
gewählter Text auf der Leinwand erscheint, war eher pragmatischen
als ästhetischen Gesichtspunkten unterworfen. Ähnlich
ergeht es derzeit noch allen Internet-Projekten und der Mentor der
Aktion, Moritz Eggert, betonte denn auch, dass es das Internet-Werk
im Grunde noch gar nicht gibt. Recht hat er, aber Spaß macht
es, in dieser neuen Kinderstube der Kommunikation eigene Türmchen
zu bauen. Und wenn sie zusammenpurzeln, dann ist das Vergnügen
doppelt groß.
Und purzeln tut noch viel im Internet. Das Suchprogramm google
zum Beispiel bietet neuerdings ein automatisches Übersetzungsprogramm
an. Auch hier gibts viel zu schmunzeln: Da lesen sich zum
Beispiel the great bassist Ray Brown als das große
bassistsstrahlbraun, der double bass wird brav
zum doppelten Bass, Miles Davis wird zu Meilen Davis
und Chick Corea mutiert gar zum Küken Corea. Und angesichts
solcher Übermittlungsprobleme hatte das, was beim Münchner
Internetprojekt herauskam, schon fast einen Profistatus.