Nanu, die nmz (5/01) berichtet über Wiepersdorf, gar über
unser Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf? Nein, der erste
Eindruck täuscht wie so häufig bei Reiseberichten.
Die Beschreibung der ostdeutschen Fremde von Wiepersdorf bis Jüterbog
durch unseren ehemaligen Stipendiaten Max Nyffeler (Februar bis
März 2001) bestätigt lediglich Ernst Blochs Beobachtung:
nichts ist in der Fremde exotisch als der Fremde selbst.
In seinem Artikel bringt Nyffeler lediglich sich selbst zur Darstellung,
gibt also Aufschluss über sein Bewusstsein und leider nicht
über das Bewusstsein der Menschen im Niederen Fläming.
Bereits Nyffelers Faktenbehauptungen erweisen sich über weite
Strecken als Fiktionalität. So ist das Künstlerhaus Schloss
Wiepersdorf kein von den fünf neuen Bundesländern
finanziertes Kulturzentrum, sondern ein von der Stiftung Kulturfonds
finanziertes international offenes und interdisziplinär belegtes
Stipendiatenhaus für Künstlerinnen und Künstler.
Das hätte unser Stipendiat bereits dem Kopfbogen unseres Einladungsschreibens
entnehmen können.
Falsche Darstellungen sind wir so sehr gewöhnt, dass auch Nyffeler
keine Bange haben muss, eine Gegendarstellung Punkt für
Punkt ertragen zu müssen. Ertragen muss er aber die
Zurückweisung seiner die Menschen in Jüterbog beleidigenden
pseudo-kulturkritischen Beobachtungen. Unser Stipendiat stieß
an einem Jüterboger Stadttor auf den neben einer aufgehängten
Keule angebrachten Spruch Wer seinen Kindern gibt all sein
Brot und leidet im Alter selber Not, den schlage man mit der Keule
tot. Der irritierte Ortsfremde erkennt in affirmativem
Umgang mit diesem Spruch die sprichwörtlichen preußischen
Tugenden und den ebenso sprichwörtlichen protestantischen
Fleiß als Grundlagen der fast ebenfalls sprichwörtlich
gewordenen, gesellschaftlich sanktionierten Gewaltbereitschaft der
Ostdeutschen.
Hätte unser Stipendiat die wunderbare Arbeitsbibliothek im
Wiepersdorfer Künstlerhaus benutzt, so hätte er während
seines zweimonatigen Aufenthalts die Erkenntnis zu Tage fördern
können, dass dieser an vielen Stadttoren Norddeutschlands angebrachte
Spruch von einem um 1290 in Regensburg (nmz-Verlagsort!) erstmals
genannten Dichter, von Rüdiger von Hinkhofen nämlich,
stammt. Der Satz ist in Hinkhofens zu Recht gerühmter Versnovelle
Der Schlegel zu finden.
Nyffelers Reisebericht findet sich unter der Rubrik www.beckmesser.de.
Wäre unser Stipendiat doch ein Beckmesser! Denn in Wagners
Meistersingern ist Beckmesser zwar der Prototyp des
kleinlichen, nicht aber des kenntnislosen Kritikers.
Prof. Dr. Dietger Pforte Geschäftsführer
der Stiftung Kulturfonds
Kolumne kein Bericht
Kommentar zum nebenstehenden Leserbrief von Dietger Pforte
Auf dem Briefkopf von Herrn Pforte steht: Stiftung Kulturfonds
der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt,
Thüringen.
(Der Freistaat Sachsen ist aus dem von ihm noch mit unterzeichneten
Staatsvertrag vom 5. April 1995 über die Stiftung Kulturfonds
inzwischen offenbar ausgestiegen.) Die Basis für den Kulturfonds
und damit indirekt auch für Wiepersdorf legen also die genannten
Länder. In einer Kolumne, die kein Bericht, sondern eine
meinungsbetonte journalistische Form ist, brauchen solche institutionellen
Details nicht erwähnt werden.