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nmz-archiv
nmz 2002/02 | Seite 10
51. Jahrgang | Februar
Forum
Die Moderne im Kosmos der Weltkultur
Zu Das abrupte Ende einer trügerischen Siesta, nmz 11/01, S. 5
Mit den unglückseligen, wenngleich zu erwartenden Auslassungen Stockhausens zur Katastrophe am New Yorker
WTC und dem auch dadurch schlaglichthaft aufdampfenden Ruch des Kryptozynismus, der das Verhältnis der
westeuropäischen Avantgarde zum Publikum und wie ich meine zu den außereuropäischen
Kulturen umgibt, ist gleichzeitig aber die Chance für eine grundlegende Analyse der Situation der zeitgenössischen
Musik gegeben. Die materiellen Ressourcen der Neuen Musik sind tatsächlich verbraucht; die Legitimation,
wie Mahnkopf meint, war ohnehin nie da. So ist das Bild vom abrupten Ende einer trügerischen Siesta
durchaus passend.
Für wen wäre es eigentlich ein Grund zur Furcht, wenn man von außen feststellen würde,
das Moderne in der westeuropäisch tradierten Musik sei lediglich neben anderen
ein Bündel von Stilen, welche sich vornehmlich mit verschiedenen Technologien der Klangfarbenerzeugung
auseinander setzen, Stile, welche kaum Funktionsharmonik, keine nennenswerte Melodik, nur selten metrisch gebundene
Rhythmen benutzen? Verschwindend gering allein schon in Europa, wie viel mehr dann im Kosmos der Weltkultur?
So liegt der Verdacht nahe, dass der Begriff des Modernen in der ernsten Musik lange
nach dem Sterben der Moderne in Kunst und Philosophie und dem damit einhergehenden Verlassen der
didaktischen Häfen der Aufklärung und des linearen Fortschrittsglaubens obsolet geworden ist und daher
in der zeitgenössischen Musik westeuropäischer Tradition ein ersehnter Neuanfang ansteht. Ein Neuanfang
ohne die aus Ratlosigkeit erwachsenen epigonalen Tendenzen gegenüber etablierten Kollegen einerseits, ohne
den kulturerbgutverneinenden Radikalismus der 50er-/ 60er-Jahre andererseits, aber auch ohne die klassisch-romantischen
Stilkopien, die sich heute bei teils namhaften Kollegen wieder finden lassen. Eine sinnlich-unmittelbare Musik
in klaren Personalstilen, die direkt auf unsere (auch nichtkomponierenden) Zeitgenossen zugeht, mit ihnen kommuniziert
und so den Begriff des Zeitgenössischen erst verdient.
Friedrich schreibt: ...man fragt sich, wen es eigentlich interessiert, was Mahnkopf noch so denkt.
Ich denke, zumindest mich selbst hat es sehr interessiert, und schon die Tatsache, dass Mahnkopf mit seinen
frischen und sicher manchen Gralshüter von Besitzständen provozierenden Gedanken eine Diskussion mit
angestoßen hat, die seit langem überfällig ist, verlohnte seinen Artikel.