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nmz-archiv
nmz 2004/10 | Seite 1
53. Jahrgang | Oktober
Leitartikel
Quoten-Qualle
„Schrumpft der Markt zur toten Hose, hilft die Quote aus
der Soße“ – so tönt der jüngste Werbe-Clip
unserer Phono-Industrie unablässig. Da springen marketingbewusste
politische Kräfte gern mit auf’s Vehikel, allen voran
die kulturpolitische Spreche-rin der „Grünen“,
Antje Vollmer. Sie schärft, arm an solchen Ressourcen, gerade
ihr kunst-fundamentalistisches Profil um jeden Preis. Zur Halbzeitbilanz
der Bundesregierung trompetete sie ihre Sehnsucht nach gesetzlich
zahlengesteuertem deutschen Musikprogramm bei den Rundfunkanstalten
in die böse Welt.
Während die SPD, vertreten durch Eckhard Barthel fest zu einem
klaren „Jein“ steht, gibt sich die Opposition diffus-kontrovers.
Freie Demokraten checken eben mal ab, ob das Lippenbekenntnis zur
Liberalitas populistischer, sprich stimmenträchtiger kommt
als der zu erwartende Rückenwind von Pop-Stars und Major-Bossen
im Falle der Quoten-Befürwortung. Diese Stars und Bosse wären
vermutlich mit der NPD auf ganz sicherer Seite: Statt 87 Prozent
ausländischer Produktion kämen künftig im Blitz-Siegesfall
der Nationaldemokraten gut 98 Prozent deutscher Ware frisch auf
den Tisch der Öffentlich-Rechtlichen. Allein CDU/CSU denken
noch differenziert über mögliche Konsequenzen legislativer
Programmanteilssteuerung nach. Und man muss nicht die ausgelutschte
Nationalismus-Karte ziehen, um nachdenklich zu werden.
Was soll eigentlich quotiert werden: In Deutschland produzierte
oder deutschsprachige Musik? Was heißt „in Deutschland
produziert“? Komponiert, in deutschem Verlag beheimatet und
in deutschen Studios (jeweils ohne ausländische Beteiligung)
eingespielt oder vielleicht nur ganz allgemein eben mal irgendwo
in Deutschland eingespielt? Was passiert mit deutschen Instrumentals,
wenn deutsche Sprache zum Counter-Kriterium wird? Warum haben die
jammernden Majors gerade ihre deutschen Künstler gefeuert?
Und was sagt die europäische Rechtsprechung zu solchen regionalen
Bevorzugungssehnsüchten. Seit Frankreich seine Quote konstruierte,
gab es da einiges an Änderungen. Vielleicht hat ja die Kultur-Enquete-Kommission
des Deutschen Bundestages bei ihrem Berliner Hearing schlüssige
Antworten gefunden. Dass die Anhörung im zeitlichen Ambiente
der – industriegesteuerten – Pop-Komm stattfand, lässt
nicht unbedingt auf Qualitätsfragen hoffen.
Stoff zum Nachdenken sollte den – demnächst vielleicht
gesetzlich reglementierten – Programmverantwortlichen die
„heimliche“ Quote von 87 Prozent vorwiegend anglo-amerikanischer
Musikproduktion in ihren Sendern allemal geben, schon weil sie einen
qualligen Globalisten-Sound ausstrahlt, der mit dem Kulturauftrag
von Anstalten öffentlichen Rechts kollidiert. Es ist seltsam
konsequent: Die (Einschalt-)Quoten-Fetischisten unter den Hörfunk-Direktoren
holen sich ihre Beschneidung durch die Musik-Quote selbst an den
Hals. Eigentlich gut so, und sehr traurig. Möge Vernunft einkehren
in Funkhäusern und Politikerzirkeln. Wir liefern gern weitere
Argumente, in dieser Ausgabe auf den Seiten 12 bis 14.