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nmz-archiv
nmz 2005/10 | Seite 14
54. Jahrgang | Oktober
Kulturpolitik
Cluster
Nebel-Werfer
Es stehen endlich wieder Wahlen an. Diesmal fürs Präsidium
des Deutschen Musikrates. Ein, wie man meinen sollte, demokratischer
Vorgang.
Um dem bekannten Chaos und Personen-Wirrwarr vergangener Elektionen
etwas vorzubeugen hatten wir – konstruktiv wie immer –
folgenden Plan: Nach Ablauf der Bewerber-Deadline für die Verbände
am 21.September wollten wir den im gesetzten Zeitrahmen gemeldeten
Kandidatinnen und Kandidaten Gelegenheit geben, sich samt Foto und
festgelegter Textmenge dem musikinteressierten Publikum unseres
Blattes vorzustellen. Insgesamt sind 18 Plätze zu besetzen,
davon drei im geschäftsführenden Präsidium. Kommentare
oder sonstige redaktionelle Beiträge aus dem nmz-Team dazu
waren nicht vorgesehen. Für diese Präsentation hielten
wir im Produktionsprozess der aktuellen Ausgabe zwei
Seiten frei.
Die uns bekannten 23 Bewerberinnen und Bewerber mailten wir an
und erhielten – bis zum für uns völlig überraschenden
und unverständlichen Beschluss des Musikrats-Präsidiums
unmittelbar vor Drucklegung, dieses Vorstellungs-Projekt zu blockieren
– acht Antworten. Eine wurde nach dem präsidialen Ukas
wieder zurückgezogen. In einem Telefonat nannte Musikrats-Präsident
Martin Maria Krüger (der selbst noch gar nicht auf der von
uns aufwändig recherchierten Kandidaten-Liste auftauchte) als
Grund für diese Informations-Verhinderung Bedenken im Sinne
der Chancen-Gleichheit. Schließlich könnten die Mitgliedsverbände
des Musikrates bis in die Generalversammlung hinein immer noch weitere
Kandidaten nachnominieren.
Dass hier grobe handwerkliche Fehler in der Satzungsgestaltung
und in der Verbandsführung als Beweis einer demokratischen
Grundhaltung hochgejubelt werden, ist traurig genug. Demokratie
bedeutet auch Transparenz. Wer sich der Wahl für ein praktisch
öffentliches Amt stellt, sollte den Wählern auch möglichst
gut bekannt sein. Nicht umsonst fragten wir nach einem vergangenen
völlig wirren und manchem Manipulationsverdacht ausgesetzten
Wahlgang: „Wer ist eigentlich Herr Krüger?“ (siehe
nmz 03/03, S.1)
Und was sich hier auch noch als scheinbar menschlich-großzügig-faire
Geste geriert, ist leicht zu durchschauen. Hinter den schmalen Kulissen
kulturfreundlichen Zwangs-Grinsens brach längst ein grobes
Hauen und Stechen, Mauscheln und Meucheln aus – um die diesmal
erfreulicherweise zu wenigen besetzbaren Posten. Da haut der durchkommerzialisierte
Alt-Popper auf den Rock-Professor, der Ober-Schulmusiker auf den
Schulmusik-Oberen und umgekehrt. Mancher quält sich unter schmerzhaften
Verrenkungen aus dem geschäftsführenden Präsidium
und im Hintergrund ziehen Landesmusikräte an Marionetten-Strippen,
scharren „Persönlichkeiten des Musiklebens“ in
den Startlöchern – fast wie in der untersten Schublade
des realen politischen Lebens: Desinformation als Wahl-Taktik. Kulturbewusstes
Verhalten als gesellschaftsprägendes Vorbild? Wer schwätzt
denn so was.
So bleibt uns nur der Dank an die sieben abgebildeten Persönlichkeiten
für ihre professionelle und sachdienliche Kooperation –
und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Möglichkeit, sich
anhand der beigefügten Internet-Adressen Informationen über
die uns bekannten sonstigen Kandidaten selbst zu sammeln. Was man
sich so alles gefallen lässt…