Der Autor arbeitet in diesem Artikel einen lang gehegten Groll
gegen das Klavierspiel innerhalb der Orgelpädagogik scheinbar
didaktisch begründet ab. Die Sehnsucht nach Veränderung
einer eigenen Fachdidaktik scheint aber stellenweise begründet.
Wie Prof. Feller
in nmz 9/07 möchte ich an für mich korrekturbedürftigen
Punkten ansetzen, die fatalistisch dogmatische Perspektiven öffnen
für neue Betrachtungsweisen. Kurze Gegenfragen und Statements
seien also erlaubt:
1. Die Vielfalt der Erscheinungen von Tasteninstrumenten ist
heute ungleich größer als zu Bachs Zeiten. Dennoch: dieser
hat nicht nur Orgeln, sondern Cembalo, Clavichord und unter Umständen
erste Hammerflügel (1747 beim Besuch des Sohnes am Hof Friedrich
des Großen) gespielt. Die vom Autor mokierte Trennung weltlich-geistlich
hat er weder gekannt noch gelebt. Wohl hat ihm dieses vielfältige
Fingerspitzengefühl in seiner Ästhetik des singenden
Denkens nicht im Wege gestanden, sondern seine innere Klangvorstellung
im zusätzlichen Umgang mit anderen Instrumenten und der menschlichen
Stimme bereichert. Schließlich ist selbst die „Königin
der Instrumente“ auch nur ein Instrument für vorhandene
differenzierte Klangvorstellungen, die ökonomischste Technik
ein Mittel, diese umzusetzen. Sollte es heute schaden, die Palette
der Tasteninstrumente sogar bis Keyboard und e-Piano kennenzulernen
und unter Umständen sogar etwas von Instrumentationslehre
zu verstehen?
2. Zum Thema Technik ist zu sagen, dass falsche und richtige
Bewegungsabläufe
nur im Blick auf Person, Werk und Instrument zu beurteilen sind,
differenzierter Klavieranschlag von der Art der Hammerauslösung
und differenzierter Orgelanschlag von der Art der ebenso verschiedenen
Ventilöffnung abhängen. Auch wenn der Tastengrund für
den Orgelton nicht so entscheidend ist wie für den Klavierton,
sind beispielsweise Bewegungsmuster wie die Schnabelsche Technik
auch auf das Orgelspiel übertragbar. Gibt es gegebenenfalls
nicht sogar technische „basics“, die für Instrumental-
und Gesangspädagogik gleich relevant sind, selbst wenn die
Klangauslösung verschieden vonstatten geht? Andererseits:
muß nicht jeder Interpret die Flexibilität eines Brendels
besitzen, die Werke je nach Raum und Instrument technisch und klanglich
neu zu disponieren? Hier blicken Pianisten mitunter neidisch auf
ihre Orgelkollegen, für die Disposition „nur“ eine
neue Registerpalette bedeutet.
3. Zum Thema Artikulation glaube ich, dass Organisten ein Chopinsches
legato und ein Mozartsches leggiero beherrschen sollten, umgekehrt
die Pianisten in einem Pflichtsemester in Alter Musik für
den authentischen Umgang mit alter und klassischer Musik Orgel,
Cembalo und Hammerflügel kennengelernt haben sollten, um neue
Erfahrungen mit Artikulation auch auf dem modernen Flügel
umzusetzen. Schließlich lassen die Staierschen Schubert-Lieder
oder Hills Haydn-Sonaten mit Recht aufhorchen und das Lesen von
drei Systemen ist in jeder Form von Kammermusik Grundvoraussetzung!
4. Umgekehrt: sollte die Begleitung von Klavierliedern nicht
Pflichtfach für die Organisten sein als Lernfeld für
die gottesdienstliche Choralbegleitung? Schließlich wird
das mitunter wenig singende Denken beim liturgischen Orgelspiel
in der Praxis oft bemängelt.
Das unter Umständen stärkere kompositorische und stilistische
Denken sollte aber auch Pianisten von heute interessieren. Meines
Erachtens ist die Lehre eines singenden und kompositorischen Denkens
die Aufgabe eines jeden heutigen Unterrichts an Tasten, um der
schleichenden Verdummung und Verödung der einstmals interessanten
Klavierpädagogik entgegenzuwirken!
Stimme, Kreativität
und Improvisation gehören deshalb meines Erachtens von Anfang
an in jede Tastenpädagogik, so wie es an der Orgel immer der
Fall war und Bach es in jeder seiner Clavierlehren lehrte.