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nmz-archiv
nmz 2004/11 | Seite 3
53. Jahrgang | November
Magazin
Gegenseitige Ergänzung in der Vielfalt
Die unterschiedlichen Modelle der „Musikakademien“
Es gibt sie für Orchester, Chor, Kammermusik, für Solisten
und Lehrer. Sie konzentrieren sich auf Nachwuchsausbildung, historische
Aufführungspraxis, Neue Musik oder Pädagogik – Institutionen,
insbesondere so genannte „Akademien“ für Musik
gibt es in verschiedenster Ausrichtung. „Musikakademie“
ist dadurch ein gerne verwendeter Name, der vielen Einrichtungen
gemeinsam ist, die sich jedoch stark voneinander unterscheiden.
Allen gemeinsam ist das Anliegen rund um Musikausübung und
Musikvermittlung aus- beziehungsweise weiterzubilden. Dabei gibt
es zum einen Institutionen, deren Programm über kurzfristige
Kurse hinausgeht und über einen längeren Zeitraum hin
angelegt ist. Hierzu gehören neben Einrichtungen für professionell
ausgebildete Musiker (zum Beispiel großer Orchester oder der
Musikhochschulen) insbesondere die Landes- und Bundesmusikakademien
mit einem weiter gefassten Angebot. Auch die Fachakademien für
Musik sind hier einzuordnen, die staatlich anerkannte Abschlüsse
für Musikerziehung verleihen. Die genannten Einrichtungen werden
zum anderen ergänzt um die „klassischen“ Sommerakademien,
teils in Verbindung mit Festivals und häufig in Gestalt von
Meisterkursen. Kurse also, die in gewissem Turnus stattfinden und
auf wenige Wochen begrenzt sind.
Betrachtet man die Teilnehmer der „Musikakademien“
im weitesten Sinne, sind auch diese breitgefächert. Vereinfachend
kann man von drei Zielgruppen sprechen: Profis (und solche, die
es werden wollen), Musikvermittelnde und die so genannten Laien.
Einige der zahllosen Angebote werden im Folgenden den Zielgruppen
entsprechend herausgegriffen.
Langfristige Nachwuchsausbildung auf professionellem Niveau betreiben
die Akademien der Orchester wie etwa der Münchner Philharmoniker,
der Sächsischen Staatskapelle Dresden oder der Berliner Philharmoniker.
Letzt genannte – die älteste in dieser Reihe –
wurde 1972 ins Leben gerufen, um junge, hochbegabte Instrumentalisten
im Rahmen einer zweijährigen, finanzierten Ausbildung auf die
Anforderungen der Berliner Philharmoniker und anderer internationaler
Spitzenorchester vorzubereiten. Einzelunterricht, das Mitspielen
bei Proben und Konzerten der Philharmoniker sowie Unterweisung in
Kammermusik sind die Säulen einer Ausbildung, die bisher rund
450 Stipendiaten durchlaufen haben und die seither von einigen anderen
großen Kulturorchestern erfolgreich übernommen wurde.
Die Ausbildung des Orchesternachwuchses im Visier haben darüber
hinaus auch Einrichtungen, die „Akademie“ nicht im Namen
tragen, aber inhaltlich und organisatorisch ähnlich arbeiten.
Exemplarisch seien an dieser Stelle das Orchesterseminar der Deutschen
Oper Berlin, das RIAS-Jugendorchester, wie auch die Junge Deutsche
Philharmonie genannt.
Der Blick auf Teilnehmerzahlen und Gründungsdaten zeigt keineswegs
Stagnation im Akademie-Angebot. Das jüngste Beispiel ist die
soeben in Hannover aus der Taufe gehobene European Chamber Music
Academy (ECMA). Insbesondere das oftmals steinige Berufsleben der
Kammermusik-Ensembles bedarf einer gezielten Vorbereitung der Einsteiger.
Diese bewerben sich als bestehende Ensembles und nehmen an Sessionen
der sechs auf ganz Europa verteilten ECMA-Institute teil.
In der Tradition der Meisterkurse verwurzelt und oft „solistischer“
orientiert sind die vielen Sommerakademien für Sänger
und Instrumentalisten. Als Vorreiter dieser gilt die 1945 gegründete
Jeunesses Musicales International. Der Sitz der deutschen Sektion
in Schloss Weikersheim hat sich über die Jahrzehnte insbesondere
durch internationale Opernkurse zu einem wichtigen Förderer
des europäischen Musiknachwuchses entwickelt. Während
viele Akademien ein breitgefächertes Meisterkursprogramm bieten,
fokussieren andere wie etwa die Kronberg Academy ganz bestimmte
Instrumentengruppen wie das Cello.
Die Verbindung von Meisterkursen, Chor- und Orchesterakademien
mit Festivals ist ebenfalls eine häufigere Erscheinungsform.
Mit weltweiten Ausschreibungen operiert hierbei die Orchesterakademie
des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Bei jährlichen Probespielen
in 30 internationalen Städten werden aus rund 1.000 Bewerbern
insgesamt zirka 130 Musiker aus etwa 29 Nationen ausgewählt.
Nachwuchsförderung als Begegnungs- und Probenphasenstätte
wie auch als Veranstalter von Konzerten und Festivals betreibt die
Internationale Musikschulakademie Kulturzentrum Schloss Kapfenburg.
Die Stiftung des Landesverbands der baden-württembergischen
Musikschulen kümmert sich zudem auch um musikvermittelnde Lehrer
und Ensembleleiter und bietet für diese Fortbildungs-Module.
Ebenfalls gezielt auf die Weiterbildung kulturvermittelnd tätiger
Personen und Institutionen ausgerichtet ist die Bundesakademie für
kulturelle Bildung Wolfenbüttel. Die Themenschwerpunkte reichen
von Chor- und Instrumentalpraxis über Medien bis hin zur Musikvermittlung.
Von den Einrichtungen, die jeden Musikausübenden unabhängig
von dessen Leistungsniveau ansprechen wollen, ist beispielsweise
die Landesmusikakademie Berlin mit bis zu 200 Kursen pro Jahr zu
nennen. Eingebunden in die urbane Struktur ist man stets auf eine
ausgewogene Bandbreite des Angebots bedacht und reagiert auf Veränderungen
am Markt sowie auf Trends: „Coaching für Bands“
und „Selbstmanagement für Musiker“ waren im Jahr
2003 heißbegehrt, das jährlich stattfindende „Samba-Syndrom“
ist stets der Renner. Neue Finanzierungsmodelle durch Zusammenarbeit
mit Verlagen, aber auch die Kooperation mit dem Kinder- und Jugendfreizeitzentrum
FEZ oder dem Landesmusikrat werden innovativ genutzt.
Angesichts dieses großen Angebots musikalischer Aus- und
Weiterbildung kommt es zu Überschneidungen in Inhalten oder
im Abzielen auf dieselbe Zielgruppe. Sind hier Interessenskonflikte
– auch hinsichtlich der „traditionellen“ Ausbildungsstätten
wie Musikhochschulen – nicht unvermeidbar? Hierauf angesprochen
verweisen die Organisatoren der Akademien zurecht auf die große
Differenziertheit und Vielfalt der Anbieter, die von selbst verhindert,
dass man sich ins Gehege kommt. Zudem sind es oft die Musikhochschulen
selbst, die neue Akademien ins Leben rufen. Darüber hinaus
sind manche Einrichtungen stark in regionale oder institutionelle
Strukturen eingebunden und aufgrunddessen nicht konkurrierend. Gegenseitige
Ergänzung in der Vielfalt – so könnte man abschließend
resümieren.