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1999
48. Jahrgang
Ausgabe 11
November (Inhalt)

© nmz und
autoren 1999

  nmz - neue musikzeitung

Kupo / Medien

Seite 7

Autor:
Claus-Henning
Bachmann

 

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Tagebuch

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Rattenfänger

„Das Unheil ist abgewendet“, notierte ich im Tagebuch Nr. 1/96, und gemeint war, dass „das Jörgl“ oder einfach „Jörg“ und seine „Freiheitlichen“ die österreichische Politik regierungsamtlich nicht mitbestimmen werden. Jetzt ist die Wende bekanntlich a bisserl nähergerückt. Ich neige zu dem Zwischenruf „Nur keine Aufregung!“, weil ich den „gewieften“, aber „phantasielosen“ Provinzpolitiker (so nannte ihn die Süddeutsche Zeitung in ihrem Leitartikel) nicht aufwerten möchte. Außerdem sollten wir uns im eigenen Lande umsehen. Gründe zur angespannten Nachdenklichkeit gibt es gleichwohl.

Sicher ist, dass Jörg Haider mit seiner Äußerung, er brauche nicht Bundeskanzler zu werden, weil die anderen Parteien seine Politik ohnehin besorgten, nicht unrecht hat. Freilich ist das nur die halbe Wahrheit. Eher verhält es sich so, dass gewitzte, aber ideenarme Köpfe in konservativem wie in linkem Gedankengut wildern, das sich ihnen – nicht ganz falsch – als ein zur Beliebigkeit Abgesunkenes darstellt (noch einmal die SZ, diesmal im Feuilleton: „FPÖ-Vertreter parodieren den Jargon linker Sozialarbeiter“). Ein weiterer Grund ist die Ausstrahlung eines notorischen Vereinfachers auf Jungwähler und vermeintlich Gebildete. Ein dritter besteht darin, dass offensichtlich nur Israels Präsident Weizman keine Scheu hatte, die Schreckensgeschichte unseres Jahrhunderts konkret anzusprechen, als er die österreichischen Juden aufforderte, nach Israel auszuwandern.

Ein „philosophisches Nachtstück“ nannte Peter Sloterdijk schönfärbend seine mittlerweile in die Tageshelle öffentlichen Widerspruchs geratene Elmauer Rede mit aktuell-egomaner Fortschreibung von Heidegger, Nietzsche und Plato. Ein solches Philosophenstück muss es sich gefallen lassen, unter den Bedingungen der Nacht gelesen zu werden. Gnädig deckt diese zu, was sich den zahlreichen Gegnern Sloterdijks auf dem 18. Deutschen Kongress für Philosophie in Konstanz als „geraunt, verdunkelt“ darstellte, ein Denken, das „auf eine alte Rattenfängerart“ den „halbgebildete(n) Verstand in die Orientierungslosigkeit“ zieht. Die Verdunklung lässt nach, sobald man sich an den wortreich erzeugten Nebel gewöhnt hat, gibt dann auch den Schrecken frei. Sloterdijk buchstabiert Humanität und Humanismus auseinander – was nicht neu ist, worüber aber sicher wieder nachzudenken wäre –, er rühmt an Heidegger – dessen „politische Zweideutigkeit“ er schon früher der Kritischen Theorie anlastete, von der er abfiel – die Eröffnung eines vieldeutigen „trans-humanistischen oder post-humanistischen Denkraums“, den er selber zu besetzen sich aufmacht, und er begibt sich selbstverliebt „in tiefes Wasser“, um auf dem Hintergrund der „Anthropotechniken“ (sprich Biotechnologie sprich Gentechnik) von „expliziter Merkmalsplanung“, „optionaler Geburt“ und „pränataler Selektion“ – „gattungsweit“ – Klartext zu raunen. Ein Kodex müsse dafür formuliert werden; wie mag er lauten, wenn Sloterdijk mitwirkt? Der Nacht entkommen, übersetze ich unphilosophisch hellhörend: Wer nicht selektiert, macht sich in vermeintlicher „Unschuld“ lächerlich. Der aufklärerische Vorwand einer „rationalen Mystik“ aus dem Werkbeginn-Essay von 1983 des heutigen Suhrkamp-Beraters ist damit wohl fallengelassen.

Haider und Sloterdijk haben gewiss nicht denselben Sprachschatz, aber sie betreiben das gleiche Geschäft. Zeitgleich mit der Wahl in Österreich wurde der größte jüdische Friedhof Europas in Berlin-Weißensee abermals geschändet: Mehr als hundert Grabsteine sind umgeworfen und überwiegend zerstört – irreparabel, nicht nur die Steine.

Verkettung

An der Deutschen Oper Berlin musste die zweite Aufführung der Neuinszenierung von Schönbergs „Moses und Aron“ ersetzt werden durch „Die Zauberflöte“. Nein, nicht das böse Publikum war schuld: das wollte nämlich Schönberg hören und nicht Mozart – es gab einen Kassenverlust.

Ursache der Spielplanänderung: „Moses und Aron“ kann ohne Aushilfen im Orchester nicht aufgeführt werden, und diese Aushilfen (zum Teil aus dem Ausland) blieben aus, nachdem schon die Premiere wegen der Lösungen „in letzter Minute“ mit vierzigminütiger Verspätung begonnen hatte. Hintergrund: die sogenannte Medienpauschale – ein Betrag von monatlich 872,66 Mark –, der im Zuge des „Sanierungskonzepts“ auf Beschluss des Abgeordnetenhauses eingespart werden soll. Für das Kalenderjahr 1999 war zwischen der zuständigen Senatsverwaltung, der Theaterleitung und dem Orchester ein Kompromiss ausgehandelt worden:

Die Pauschale wird halbiert. Dieser Kompromiss musste aus formalen Gründen am 30. September gekündigt werden. Hausherr Götz Friedrich: „Am 1. Oktober (Tag der Schönberg-Premiere) geschah das Ausbleiben der Aushilfen.“

Im Hintergrund agiert die Deutsche Orchestervereinigung (DOV), durchaus in Wahrung ihres gewerkschaftlichen Auftrags; man will „zur Sanierung weiter beitragen“, bleibt aber in der Sache (zunächst?) unnachgiebig, weil man geklärt haben möchte, dass die Medienpauschale Bestandteil des Gehalts ist, was Senatsverwaltung und Theaterleitung bestreiten. Warum bleiben die Aushilfen aus? Es hat seitens der DOV etwas gegeben, was – mit Klageandrohung – weder „Solidaritätsappell“ noch „Boykott“ genannt werden darf.

Der Vorsitzende des Personalrates solidarisiert sich mit der Theaterleitung: „Dieser Konflikt zerreißt das Haus und gefährdet die Position der Deutschen Oper.“ Zur Stunde ist der Spielplan gefährdet, ausgerechnet „Moses und Aron“ daraus entfernt – eine ungewollte Verkettung, die anscheinend nur wenigen zu Bewusstsein kommt.

Verführung

Publikationen der Bayerischen Staatsoper lese ich gern und mit Gewinn. An diesem hochsubventionierten, von großer gesellschaftlicher Akzeptanz getragenen Haus wird unter Staatsintendant Peter Jonas erkennbar phantasievoll gearbeitet; der neue Geist von Salzburg rückt da nahe. „Takt 1“, das Magazin vom Saisonbeginn, löste indes Verwunderung aus. Peter Jonas gibt darin einen Rückblick auf die Festspielwochen unter dem Leitthema „Heimat – (n)irgendwo“ und hält den Medien nach leicht ironisch getöntem Lob entgegen, dass ihr Blick „mehr der journalistischen Ästhetik als der künstlerischen Ethik verpflichtet“ gewesen sei. Wie das? Ich kenne das Material nicht. Heimat als jenes, das nach Ernst Bloch „allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war“, ist essayistisch sicher leichter der Opern-Utopie zu applizieren als aufs heterogene Ganze einer neobarocken Festspielpraxis. Aber das ist nicht mein Thema. Ich bezweifle ganz einfach die Polarität von Ethik dort und Ästhetik hier. Oper ist Verführung. Wenn die Staatsoper Unter den Linden ihre Spielzeit unter dem griffigen Titel der intonierenden Carter-Uraufführung „What next?“ leitmotivisch der „Oper unseres Jahrhunderts“ zuordnet und dabei „Tosca“ und „Madame Butterfly“ einbezieht, ist das einerseits zeitchronisch legitim und andererseits „unethisch“. Das thematische Schlagwort suggeriert ja eine neue Sprache, nicht den Rückblick auf Jahreszahlen. Als Moment der Verführung aber ist der „Zeit“-Faktor mit Puccini als Auftakt stichhaltig. Auch Carter hat die Tradition „gehört“, auch dort ist Zeitorganisation in eine klangsüffig verführende Farb-Form-Dramaturgie listig eingelassen. Auch dieser Text will „verführen“ – vor allem zu der Einsicht, dass „Ethik“ und „Ästhetik“ als widerstreitende Begriffe untauglich sind in jener Bildwelt, in der Theater- und Medien-Menschen hilflos bis fröhlich agieren.

Claus-Henning Bachmann

 

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