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2000
49. Jahrgang
Ausgabe 05
Mai (Inhalt)
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autoren 2000

  nmz - neue musikzeitung

Kulturpolitik
Wirtschaft
Medien 

Seite 7

Autor:
Claus-Henning
Bachmann

 

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Tagebuch

Traumdeutung

Komponisten sind Triebtäter. Triebabfuhr bereitet Lust. ConBrio-Autor Hubert Stuppner hat vor zwei Jahrzehnten die „Psychoanalyse in und durch Musik“ befragt, „in der Erkenntnis, dass Musikmachen und Musik-Rezipieren auf alle Fälle mit einem neurotischen Defekt im Zusammenhang stehen“. Gemeinsam haben wir für das Radio die Wechselwirkung von Psychoanalyse und Musik durchforstet. Ich blättere in den alten Texten und finde Bemerkenswertes in Stuppners Beiträgen: „Am Anfang war nicht das Wort, sondern der Trieb. Diese Genesis gilt für Schönberg ebenso wie für den Expressionismus. Die ,Fröhliche Wissenschaft´ erotischer Unmittelbarkeit steht am Beginn des Jahrhunderts wie eine Pubertät, die Entwicklung verheißt. (...) Schönbergs Reihe ist das Meer, in das die Triebkonflikte der Dissonanzen, denen sie früher ausgeliefert gewesen, auf dem Wege psychischer Kompensation von seelischer Anstrengung sich hinabbegeben, hinab in den ozeanischen Pantheismus von Ordnung und Sein.“

Wir waren uns einig in der Tragfähigkeit der Hypothese, dass Musik dem Inzestbegehren zumindest nahe ist. Die Verarbeitung des daraus resultierenden Schuldgefühls ist eine Leistung der herrschenden Musikkultur, eben die kompositorische. Regression, dem Lustprinzip hörig, kleidet sich in musikalische Gestalten. „Im Rausch der Regression“ tauchen aber auch – so Stuppner – „infantile Allmachtsgefühle wieder auf“. Wie seine „Endzeit-Sonate“ (Regensburg 1999) eindrucksvoll zeigt, hat er seine Psychoanalyse in und durch Musik erfolgreich abgeschlossen. Zu ergänzen wäre, dass wir den Träumen nicht „ausgeliefert“ sind; sie erfahren in der Musik eine Bedeutung, die der reinen Lehre trotzt. Freud führte den Begriff der Regression in die „Traumdeutung“ ein, um ein wesentliches Merkmal der Gedankenarbeit im Traum zu erklären. Musik, ließe sich sagen, entsteht auf dem bewusst gemachten „Traumhintergrund“, auf der „dream screen“ (Bertram D. Lewin). Freud selber hielt sich musikalischen Kunstwerken gegenüber für „fast genussunfähig“, wohl ein Abwehrmechanismus. Diese Unlustdrohung lustbetonter Inhalte gehört zu den klassischen Paradigmen der Psychoanalyse.

Der Psychoanalytikerin Annegret Mahler-Bungers verdanke ich den Hinweis auf eine neuere psychoanalytische Theorie, die der Regression eine Mitwirkung an musikalischer Komposition abspricht, freilich mit seltsamer Aussparung der Musik des 20. Jahrhunderts. Ludwig Haesler bezieht sich auf einen von Adorno und Bloch entlehnten Begriff der „Sprachähnlichkeit“ von Musik oder der „Sprache sui generis“. Zur Herstellung eines brauchbaren Assoziationsfeldes bemüht er die „Semantik als Lehre von der Bedeutung oder Referenz von Zeichen“. Die Psychoanalyse könne Zugang zum musikalischen Werk gewinnen, indem sie sich an die „besondere Zeichenhaftigkeit“ seiner Form, „an die musikalische Struktur, wendet“. Dass jedoch die „Struktur“ Sinn und Bedeutung von Musik unmittelbar aus sich herausstellt, halte ich für eine Illusion der vergangenen Jahrzehnte. Dieses musikanalytische Wunschbild enthüllt eine Abwehr, zu der sich Freud noch, gleichsam naiv, bekannt hat.

Götterdämmerung

Auf Ödipus folgte Jokaste, nach Schopenhauer ein Symbol für „die Wollust der Konzeption“. Der Komponist Dieter Schnebel gelangte zu seiner Idee einer psychoanalytischen Musik im Endstadium der „Maulwerke“. Eine Schicht der „Maulwerke“ sind die „Mundstücke“. Der Mund ist, psychoanalytisch gesprochen, die „Urhöhle“, eine „Brücke zwischen dem inneren Hineinnehmen und dem äußeren Wahrnehmen“ (René A. Spitz). „Die Erlebniswelt der Urhöhle ist die Welt tiefster Sicherheit, die der Mensch nach der Geburt noch erreichen kann, in welcher er umfasst und gestillt ruht.“

„Die Maulwerker“ sind eine Gruppe, die Dieter Schnebel – zuvor Religions- und Musiklehrer am Oskar-von-Miller-Gymnasium in München – 1978 an der Hochschule der Künste Berlin als Professor für experimentelle Musik und Musikwissenschaft animiert hat. Diese Hochschule und die Akademie der Künste haben Schnebel zu seinem 70. Geburtstag mit Konzerten und einem Symposium gebührend gefeiert. Die verjüngten „Maulwerker“ brachten die „Glossolalie 2000“, eine zeitgemäße Ausarbeitung des Konzeptstückes „glossolalie“, das in der kompositorischen Realisation von Schnebel 1961 Avantgarde-Geschichte geschrieben hat.

Sprechen wird losgelassen und zur Musik als „Zungenreden“ (1. Brief des Paulus an die Korinther), dem niemand zuhört, das „in den Wind“ geredet ist. Im Jahr 2000 ist Avantgarde in den Wind geredet, verkommen zum theatralischen Event. „Die Popularisierung versteht man nicht“, sagte Heinz-Klaus Metzger auf dem Symposium und bezog sich auf die Kabbala. „Denn der mit Zungen redet, der redet nicht den Menschen, sondern Gott“ (1. Kor. 14). Die Avantgarde-Götter haben abgedankt, aber im Geist reden sie immer noch ihre Geheimnisse.

Trümmerblumen

„In den Ruinen von Berlin“ überschrieb die „Berliner Zeitung“ am Tage nach der als Abgeordnetenhaus-Debatte über den Kulturhaushalt getarnten Kapitulations-Sitzung ihren Leitartikel (und profilierte sich mit acht Beiträgen zum Thema als kulturpolitische Sprecherin der Lokalszene). Das Problem selbst ist schon längst kein örtliches mehr und der permanent angesprochene Staatsminister Michael Naumann in diesem Punkt mit dem neugewählten Ruinenkustos Christoph Stölzl wohl einer Meinung. Stölzl ist in seiner Funktion als Senator für Kultur und Wissenschaft nicht zu beneiden: Seine Ausgangssituation ist just die, welche die Vorgängerin Christa Thoben zum Rücktritt veranlasst hat (was ihn, denke ich, zunächst zum Abwinken bewog). Naumann hat weitab von Berlin den Gedanken einer „Bundeskulturstiftung“ aufgebracht, der frühere – auch glücklose – Berliner Kultursenator Ulrich Roloff-Momin regte eine „Kulturstiftung Berlin“ an. Mehr Geld käme dadurch vorerst nicht ins Haus. Ist das sozialutopische Blumengebinde subventionierter Bürgerkultur am Verwelken? Das ist die Frage – nur das.

Elmar Weingarten, (noch) Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters, im Kultur-Management vielerfahren, einem Mann mit Rückgrat, habe ich für ein Hintergrundgespräch zu danken. In summa: Die Sparmöglichkeiten sind, bis auf unerhebliche Bereiche, erschöpft. Für die drei Opernhäuser hätte das Mortier-Modell, eine Zusammenlegung mit jeweils spezifisch zugewiesenem Profil, die Kosten womöglich gesenkt. Berlin hat acht Orchester, die der Opernhäuser (mit eigenen Konzertreihen) einbezogen. Das Musikleben würde vermutlich nicht beschädigt, wenn es eines oder zwei weniger wären, aber Erwägungen in dieser Richtung sind russisches Roulette für Kulturpolitiker.

Für Christoph Stölzl spricht, dass er einen „breiten Kulturbegriff“ (Weingarten) hat; er werde mehr in den „Sophiensaelen“ auftauchen als in der Philharmonie. Die aus Bundesmitteln zu erfüllenden „nationalen Aufgaben“ –„Jüdisches Museum“ oder „Topographie des Terrors“ (derzeit Haushaltssperre) – sind leichter zu definieren als „national bedeutsame Einrichtungen“, die Berlin allein nicht bezahlen kann. Zum Schluss stellte ich eine unrealistische Frage: Halten Sie ein Modell für denkbar, in dem nur subventioniert wird, was sich nicht selber trägt, weil das Unbekannte, Verstörende, Konsumfremde daran überwiegt? Die Antwort war: Nein. Auch die Philharmoniker tragen sich nicht selbst. Und „Die Zauberflöte“ muss so interpretiert werden können, dass keiner, der Unsicheres scheut, sie sehen will.

Claus-Henning Bachmann

 

 

 

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