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2000
49. Jahrgang
Ausgabe 07-08
Juli-August (Inhalt)
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  nmz - neue musikzeitung

Jazz / Pop
Chanson ...

Seite 35

Autor:
Helmut Hein

 

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Der Orden der Selbstzerfleischer

Zurück zum Bluegrass: Steve Earle wird zum heiligen Sünder

Steve Earle, der auf den ersten Blick so massig-bodenständig wirkt, ist ein Entwurzelter: ein existenzieller Hobo im Niemandsland der Moderne; ein passionierter Land-Streicher, der sich auf der Suche nach dem richtigen Leben im Labyrinth verliert. Der Minotaurus, dem er begegnet, sieht ihm verdammt ähnlich. Mag sein, dass die Hölle die anderen sind, wie Sartre meinte; aber noch höllenhafter kann der Blick in den Spiegel, die Erkenntnis der eigenen Fehler und Schandtaten sein.

Steve Earle, der Einzelgänger, war immer unterwegs. Er hat nicht nur mit Lebens-, sondern auch mit Musik-Formen experimentiert. Für seine Expedition mitten ins Herz des Bluegrass-Universums hat er sich sogar in stets zu enge Anzüge gezwängt und sich die Hüte aufgesetzt, die Mr. McCoury nicht nur für passend, sondern für unvermeidlich hielt. Musikalisch war diese Reise zu den „roots“ durchaus ergiebig, biografisch war sie ein fatales Missverständnis, eine Sackgasse: Earle, der Sucher und Flucher, und McCoury, der autoritär die wahren Werte verwaltet, das konnte nicht zusammenpassen.

Nach der halben Selbstverleugnung im Dienst einer Tradition, die höchstens indirekt und verquer die eigene ist, kommt jetzt die große Befreiung: Auf „Transcendental Blues“ prüft Steve Earle die Projekte und Konzepte, die er bisher verfolgte: Kunst – Freiheit – Gerechtigkeit – Liebe („die große“) – Leidenschaft. Anders als Mr. McCoury kennt er die Bedingungen und die Kosten. Wenn etwas schief geht, sucht er die Schuld nicht nur bei den anderen. Steve Earle gehört zum Derwisch-Orden der Selbstzerfleischer. Deshalb wirken seine Songs so authentisch. Alles, worüber er singt, hat er selbst erfahren. Er ist ein „poète maudit“ im western look.

Von all den hervorragenden Steve Earle-Platten der letzten Jahre ist „Transcendental Blues“ die beste und reichste – auch musikalisch. Merkwürdigerweise ist dieser große Monomane ja ein mimetisches Talent sondersgleichen: Er kann in alles hineinschlüpfen und sich alles anverwandeln. Die Trostlosigkeiten des „Schweinerocks“ braucht man bei ihm nicht zu befürchten. Seine Mittel sind subtil; er liebt die Abweichungen und die Anklänge. Die Genres, die er in seinem Leben kennen gelernt hat, sind das Material, mit dem er spielt. So ist „Transcendental Blues“ auch ein Kompendium der populären Musik.

Aber die Genres werden bei ihm reflexiv. Sie sind nicht mehr selbstverständlicher Ausdruck einer Gemeinschaft, sondern thematisieren die prekäre Lage des Einzelnen, der halb aus ihr herausgefallen ist, sie aber nie ganz verlassen kann oder will. Der Blues erzählt vom Schmerz, der in der Ungleichheit gründet: in der Liebe, wenn der eine mehr liebt als der andere; und in der Arbeit, sofern sie „abhängig“ ist; nie nur sachlich, sondern immer auch Chefsache. Der Blues, wie ihn Earle versteht, kann überall erscheinen, selbst im traditionalistischen Bluegrass, im machistischen Rock oder im weltfernen Kelten-Folk. Er sucht in den Genres das Moment, wo sie brüchig werden, zerfallen. Steve Earle gibt sich aber damit nicht zufrieden. Er produziert nicht avantgardistischen Lärm, definiert Dissidenz nicht über Kakophonie, sondern schreibt neue, wunderbar eingängige Volkslieder.

Steve Earle war immer ein Süchtiger, stets dem brachialsten Stoff verfallen; auch der eigenen Gewalttätigkeit. Wenn er von „Transzendenz“ singt, dann hat das nichts mit Bigotterie zu tun. Er will nicht die Widersprüche in einem imaginären Jenseits versöhnen, um sie hier nicht austragen und aushalten zu müssen. Seine Transzendenz ist eine Form von Hingabe und Gläubigkeit, in der Revolte, Widerstand, Qual enthalten sind.

Helmut Hein

Steve Earle: Transcendental Blues, Epic/Sony.

 

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