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2000
49. Jahrgang
Ausgabe 09
September (Inhalt)
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autoren 2000

  nmz - neue musikzeitung

Kulturpolitik
Wirtschaft
Medien 

Seite 15

Autor:
Cluas-Henning
Bachmann

 

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Tagebuch

Abgesang

Adieu, Ulrich Eckhardt. Sie waren ein guter Intendant, der bestmögliche für diese Berliner Festspiele, partiell auch sehr mutig. „Bescheidenheit“, die man Ihnen nachrühmt, konnte ich weniger erfahren, aber sie gehört nicht zur Sprache der Ämter, die Sie auf sich genommen haben. Anfangs, 1973, wurden Sie – aus Bonn kommend (von daher kannten wir uns) – bespöttelt: „Der will noch die Briefmarken selber aufkleben“, doch diese Mäkelei haben Sie glänzend widerlegt, indem Sie den Kulturbegriff politisch aufgefasst und danach gehandelt haben. Zu den Ruhmesblättern Ihrer ungewöhnlich langen Amtszeit gehören weniger die unterschiedlich schlüssigen Festwochen-Themen als das (viermalige) Festival der Weltkulturen „Horizonte“, die „Jüdischen Lebenswelten“ 1992, die fünf Jahre zuvor installierte Dokumentation „Topographie des Terrors“ und die drei von Walter Bachauer „erfundenen“, von den Berliner Festspielen gemeinsam mit dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD veranstalteten „Metamusik-Festivals“. Durch sie begann sich 1974 das „Prinzip Offenheit“ musikalisch zu entfalten, (Eigenzitat aus einem ersten Resümee:) „das neu aufgespürte Gefühlsmoment“, eine „zuverlässig das Ohr und die Sinne der Hörer erreichende emotionale Überzeugungskraft“. Nach Berlin (West) zu reisen, in dieses kuriose insulare Gebilde, gab es in den fünfziger Jahren kaum triftigeren Grund als die Festwochen. Prägend waren die Beckett-Erstaufführungen unter Karlheinz Stroux und dem unvergesslichen Hans Bauer, war die skandalbegleitete Uraufführung von Henzes „König Hirsch“ 1956; erst nachträglich registriert wurden Scherchens gut gemeinte, aber unvertretbare Striche. Nicht bemerkt wurde, dass ein Intendant amtierte, dessen deutsch-nationale Gesinnung das politisch Zumutbare überstieg. Ein Jahr vor Kriegsende hatte Gerhart von Westerman, damals und später Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters, sinnig die Überzeugung geäußert, „dass die Kunstmusik aus deutschem Geist, von deutschen Geistern geboren wurde“ und „die Musiksprache, die allen Völkern gleich verständlich ist, eine deutsche Sprache“ sei. Westerman leitete die Berliner Festwochen, ohne sich an diese Geistersprüche zu erinnern, bis zu seinem Tod im Februar 1963. Ihnen, Ulrich Eckhardt, bedeutet Erinnerung viel. In den fünfziger Jahren musste die Stadt auf sich aufmerksam machen – muss sie das immer noch? Man wird ja mal fragen dürfen. Der „Jahrhundertklang“ – eines der mit großem Fleiß erarbeiteten Festwochen-Themen 2000 – gehört eher ins Poesiealbum; musikalisch gibt es ihn nicht, gab es ihn zu keiner Zeit. Der „Neue“ braucht mehr Mut als Sie: Er muss das „Fest“ von neuem unverzichtbar machen, fremd dem Gewesenen, als Gegenkultur.

Leere als Fülle

Das Jüdische Museum Berlin wird jetzt mit Exponaten gefüllt. Es bleiben die fünf „Voids“, Sinnbild des Abwesenden in der Geschichte des Judentums. Vor einigen Wochen besuchte mich eine Kollegin vom NDR Hamburg, Elke Pressler, um mich (im Zusammenhang mit einem von ihr vorbereiteten Hörfunk-Feature) über diese gestaltete Leere als denkbares Abbild der fragmentarischen Gestalt von Schönbergs „Moses und Aron“ zu befragen. Den Anlass boten Äußerungen von Daniel Libeskind, dem Architekten des Baues. Er hatte in seinem Entwurfskommentar und in Interviews den Konflikt des Moses, der sprechen will, doch nicht kann, in seinem architektonischen Denken aufzuheben versucht. Das Nachdenken über dieses Gespräch ließ mich erneut zu dem Band 36 der Studien für Wertungsforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz greifen (herausgegeben von Otto Kolleritsch): „O Wort, du Wort, das mir fehlt!“ In zwei Beiträgen – von Karin Marsoner und Marc Kerling – wird versucht, das Fehlen der Musik zum dritten Akt der Oper mit einem Durchbrechen des Bilderverbots in der Rede von Gott zu erklären. Auch die Komposition mit zwölf (nur aufeinander bezogenen) Tönen ist ein „Bild“ von Gott, nicht weniger als „tonale“ Musik; Musik ist keine reine, gleichsam sprachlose Sprache, die „Gottrede“ (Kerling) in ihr unterliegt dem Verbot. Das unterstellt freilich einen autobiografischen Zusammenhang zwischen Schönberg und der Moses-Figur; der Komponist hat sich gegen solche Deutungen immer gewehrt. Und noch 1945 hat er (nach einem Briefzitat) die Fertigstellung der Oper geplant. Ich nehme die Gelegenheit wahr, der immer anregenden Buchreihe des Grazer Instituts für Wertungsforschung meine Reverenz zu erweisen. Die Leere aber – das haben die Führungen durch den Bau des Jüdischen Museums gezeigt – birgt die wahre Fülle, in der sich der Gedanke und die bildhaft flutende Vorstellung treffen.

 

Welt im Kopf

Seit 1954 lebt ein Mann in Regensburg, Rückkehrer aus Israel. Ich meine, die Stadt kann stolz sein auf diesen Mann. Er ist ein Zeitzeuge der besonderen Art. Denn er ist durch die von deutschen Menschen erdachte Hölle der Unmenschlichkeit gegangen und sagt heute trotzdem: „Deutschland ist ja meine Heimat.“ Der sonst wortmächtige Mann kann dieses Zugehörigkeitsgefühl nicht näher beschreiben. Israel ist seine „zweite Heimat“. Als die schwerste Phase der Hölle begann, sagte der damals Zwanzigjährige zu sich: „Meine Seele darf daran nicht zerbrechen. Ich muss sie schützen. Wenn mein Körper und mein Geist aufgeben wollen, soll sie mich wieder zurückholen.“ Und angesichts der brennenden Öfen: „Man kann es nicht überleben, wenn man es wirklich sieht. Ich muss mir in meinem Kopf meine Welt bauen.“ Auch die deutsch-jüdische Symbiose bestand vielleicht nur in den Köpfen von denen, die sie gelebt haben. Kann es sie wieder geben – danach? Otto Schwerdt, Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Regensburg, Landesausschuss-Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, befreit im Mai 1945: „Im Moment noch nicht. Es braucht seine Zeit.“ Er wiederholt den letzten Satz, als wolle er beitragen zu dieser Zeit.

Geboren ist er 1923 in Braunschweig. Dort erprobten die Nazis 1931 ihre Macht. 104.000 SA-Leute sollen nach einem Zeitungsbericht auf dem Schlossplatz an Hitler vorbeimarschiert sein. Am 25. Februar 1932 wurde Hitler zum braunschweigischen Regierungsrat ernannt: Damit war er Deutscher. In den Erinnerungen, die Otto Schwerdt gemeinsam mit seiner Tochter Mascha Schwerdt-Schneller verfasste („Als Gott und die Welt schliefen“, lichtung verlag Viechtach 1998/99), berichtet er auch von deutschen „Helden“, wie er die Aufrechten nannte. Einer, der gern Held geworden wäre, aber den Pakt schon geschlossen hatte, ein SS-Oberscharführer, gab dem jungen Häftling erst Brot, dann ein Buch. Es war „Der Untertan“ von Heinrich Mann. Er konnte Schwerdt und seinem Vater, sonst niemandem helfen von denen, die zu Tausenden um ihn starben. Ein Gerechter? Einer, der zu spät kam.

Otto Schwerdt ist ein Gerechter. Weil damals Ethos, Vernunft, das Erbe der Aufklärung außer Kraft gesetzt waren, „ist man noch mehr damit behaftet“. Es gab für ihn Gründe für die Rückkehr nach Deutschland: Krankheit des Vaters (der ein Jahr später starb), des Sohnes, der Stiefschwester. „Ich habe die Rückkehr nicht bereut – bis jetzt.“ Drohbriefe, Zusammenstöße mit Rechtsextremen? Schwerdt differenziert, harmonisiert; seine Tochter widerspricht. Er konnte in den KZs überleben, weil er jeden Tag seinen Vater gesehen hat. Soweit es nicht zynisch ist – seine Mutter, seine Schwester, sein Bruder wurden ermordet –: Er hat Massel gehabt. Und sein Judentum.

Claus-Henning Bachmann

 

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