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2000
49. Jahrgang
Ausgabe 02
Februar (Inhalt)
Zurück / Back© nmz und
autoren 1999

  nmz - neue musikzeitung

Leserbrief

Seite 10

Autor:
Jürgen Vogt

 

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Die Wächter sehr hoch auf der Zinne...

Eine Antwort auf Theo Geißlers Vorwort „Schulmusik aufgewacht“, nmz 11/99

Es war einmal eine Zeit, eine selige Zeit, in der junge Menschen im Musikunterricht andächtig lauschten, wenn der Musiklehrer sie vom Konzertflügel aus spielend, singend und vortragend in die Geheimnisse der Mozartschen Ensembles und der Wagnerschen Leitmotivik einführte, woraufhin sie dann bereitwilligst ihr Sparschwein schlachteten, um scharenweise und mit vor Begeisterung glühenden Wangen in die Opernhäuser strömen zu können ...

Wann diese märchenhafte Zeit war? Ich habe, offen gestanden keine Ahnung, aber es muss diese Zeit gegeben haben, glaubt man jedenfalls Theo Geißlers Statement in der nmz 11/99, und auch Staatsminister Naumann (in derselben Ausgabe) scheint in dieser Hinsicht über Kenntnisse zu verfügen, die dem durchschnittlichen Musikpädagogen nicht zur Verfügung stehen.

Dass, wie Minister Naumann sagt, in unseren Opernhäusern immer weniger junge Menschen auftauchen, trifft vermutlich zu. Die Behauptung, dass dieser Schwund auf einen mangelhaften Musikunterricht zurückzuführen sein soll, ist jedoch in mehrfacher Weise problematisch. Zunächst einmal handelt es sich um eine Überschätzung möglicher Wirkungen von Musikunterricht und Unterricht überhaupt: Niemand kann genau prognostizieren, welche späteren Verhaltensweisen im Leben Jugendlicher Schulunterricht auslösen oder auch nur beeinflussen wird, aber wünschen kann man sich natürlich vieles und auch Musikpädagogen wünschen sich natürlich, dass ihr Tun und Reden nicht schon eine Schulstunde später vergessen ist.

Ärgerlicher ist jedoch gerade deshalb die Unterstellung, Musikunterricht habe prinzipiell die Aufgabe, dem bürgerlichen Konzert- und Opernbetrieb das notwendige zahlende Publikum für seine Fortexistenz zuzuführen. Wo steht das geschrieben? Minister Naumann und Theo Geißler folgen in ihren Klagen einer seltsamen Logik: (1) Aufgrund eines mysteriösen Bildungsauftrages an den Musikunterricht bereitet dieser auf die Teilhabe an bürgerlicher Musikkultur vor; die ehemaligen Schüler und Schülerinnen bilden dann (2) die Klientel der Opern- und Konzerthäuser. Das offenbar nachlassende Interesse am Opern- und Konzertwesen kann daher (3) nur eine Ursache haben: den immer schlechter werdenden Musikunterricht! Könnte die mangelnde Resonanz des Konzert- und Opernbetriebes nicht ganz einfach dadurch erklärt werden, dass das vorliegende Angebot offensichtlich für junge Menschen derartig unattraktiv ist, dass sie lieber andere Musik hören und andere musikalische Angebote wahrnehmen? Kann es die Aufgabe von Musikunterricht sein, eine Ware, die niemand haben will, attraktiv zu reden – und sich dann Schelte einzuhandeln, wenn diese hoffnungslose PR-Aktion voraussehbar scheitert?

Natürlich höre ich schon die Einwände: Kunst darf man doch nicht mit einer Ware vergleichen, deren Abnahme sich durch Angebot und Nachfrage regelt! Mag sein, aber wer diesen Standpunkt vertritt, befindet sich in ungleich größerer Beweisnot, unterstellt er doch, junge wie ältere Menschen seien schlichtweg zu dumm oder eben zu ungebildet, die wahren Qualitäten sog. E-Musik wahrzunehmen und müssten daher entsprechend erzogen werden, ob sie dies wollen oder nicht (die Etymologie des „Ziehens“ scheint hier besonders wichtig zu sein). Was diese Qualitäten aber genau sind, und weshalb junge Menschen sie überhaupt zur Kenntnis nehmen sollten, verraten nun jedoch leider weder Minister Naumann noch Theo Geißler; nebulös ist stattdessen die Rede von der „Kulturnation“ Deutschland. Woran bemisst sich aber der Rang einer „Kulturnation“? An der Anzahl der Opernhäuser und Sinfonieorchester? Oder nicht doch eher an der Lebensqualität einer möglichst großen Menge von Menschen, die in einem demokratischen Gemeinwesen leben, in dem auch ein möglichst vielfältiger Umgang mit Musik eine wichtige Rolle spielt?

In der Regel ist man vorsichtig, wenn man anderen Menschen in anderen Professionen gute Ratschläge erteilt, wie sie ihren Job zu tun haben. Für pädagogische Fragen scheint diese Zurückhaltung jedoch nicht zu gelten; weil jeder einmal in der Schule war, fühlt er sich sogleich auch als Sachverständiger, der sich über aktuelle Diskussions- und Forschungsstände nicht weiter kundig zu machen braucht. Es ist nun überhaupt nicht zu leugnen, dass der Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert ist. Kürzungen oder gar Streichungen des Unterrichts sind dabei sicherlich die bedrohlichsten und augenfälligsten Phänomene, dazu kommen aber vielfältige sozio-kulturelle Probleme, die primär gesellschaftlich erzeugt und unweigerlich in den Musikunterricht hineingetragen werden. Natürlich kann man vor solchen Problemen die Augen verschließen und, wie etwa H. Willske in der nmz 12/1999-1/00, beschwörend an die deutsche „Bildungstradition“ appellieren – als wenn nicht gerade diese Tradition in unserem Jahrhundert so gründlich korrumpiert worden wäre, dass im wortwörtlichen Sinne mit ihr längst kein Staat mehr zu machen ist. Schon allein angesichts der Anzahl an Familien, die von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe leben müssen, kann es nur als zynisch empfunden werden, auf den Zustand staatlich subventionierter Opernhäuser hinzuweisen. Wenn Minister Naumann blumig davon spricht, Musik öffne die Fenster zur eigenen Seele, so fragt sich doch, was mit den Seelen derjenigen Heranwachsenden geschieht, die am Rande der Armutsgrenze leben müssen; dass ihnen in ihrer Seelennot die Musik des bürgerlichen Konzertbetriebes nichts oder nur wenig hilft, das wissen diese Heranwachsenden ziemlich genau.

Wie wäre es denn mit folgendem Vorschlag: Die Industrie als Kultursponsor eröffnet einen Fonds, in den sie einen kleinen Teil derjenigen Gewinne einzahlt, die sie durch die Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter in den letzten Jahrzehnten erzielt hat. Der Bund, der gleichfalls durch Steuereinnahmen profitierte, beteiligt sich in angemessener Weise. Das eingezahlte Geld wird nun etwa dafür verwendet, interkulturell angelegte musikpädagogische Projekte zu initiieren, die im Rahmen des „normalen“ Musikunterrichts gar nicht durchzuführen wären. Besonders Schulen in sogenannten „sozialen Brennpunkten“, in denen etwa Eltern gar kein Geld haben, um ihren Kindern einen Instrumentalunterricht zu finanzieren, könnten von einem solchen Fonds profitieren, Instrumente anschaffen, in- und ausländische Künstler zu Kursen einladen, Konzerte veranstalten ...

Aber halt, da bin ich wieder im Märchenland gelandet – oder doch nicht? Theo Geißlers Vorschlag, der Musikpädagogik sei ins Hinterteil zu treten und dabei gleichzeitig die Hand zu reichen, scheint mir jedenfalls – schon anatomisch gesehen – schwer durchführbar zu sein. Minister Naumanns Hand sollte die Musikpädagogik bereitwillig annehmen; auf Theo Geißlers Tritte kann sie verzichten.

Jürgen Vogt, Bochum

 

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